50-jähriges Glockenjubiläum von St. Aegidien
im Jahre 2000
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn und
Heiland Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
Heute haben wir ein Jubiläum zu feiern. Ein Jubiläum zweier für wahr gewichtiger
Jubilare, denn 1750 und 1100 Kg bringen sie auf die Wage. Aber dennoch immer
beweglich und beschwingt, immer wohlklingend und zuverlässig haben sie nunmehr
50 Jahre ihren Dienst in unserer Gemeinde getan, unsere Andreasglocke und unsere
Lutherglocke oben in unserem Kirchturm.
Eigentlich ist es schade, das sie nicht hier unter bei uns sein können, um zu
erzählen von den vielen Jahren, in denen sie nun schon ihr Geläut über Osterode
erklingen lassen. Aber vielleicht waren sie heute ja schon oben auf dem Turm und
haben unsere Glocken besucht.
Ich habe mir die Mühe gemacht, in einer stillen Stunde in dieser Woche. Und wie
der Wind so durch die Schallluken fegte, hatte ich mitunter das Gefühl, als
fingen unsere Glocken an zu sprechen.
Und für den heutigen Abend, diesen Jubiläumsgottesdienst dachte ich mir, ich
lasse die älteste der drei Läuteglocken, die Christusglocke einmal zu Worte
kommen. Denn sie hat damals ja alles miterlebt, hat unsere Jubilare über die
Jahre hinaus begleitet und damit wohl auch das Vorrecht erworben heute das Wort
zu erheben.
So lade ich sie ein, an den Gedanken unserer Christusglocke teilzunehmen, wenn
ich sie ihnen nun vortrage.
Ich die dienstälteste Läutglocke hier im Kirchturm von St. Aegidien grüße sie
alle zu diesem Fest und besonders natürlich meine zwei Schwestern, die heute ihr
50 jähriges Dienstjubiläum feiern. Ich selbst bin schon 117 Jahre im Dienst,
seit 1883, nach dem großen Brand, länger als ein menschliches Leben, aber für
eine Kirchenglocke, doch eigentlich erst eine recht kurze Zeit.
Dennoch habe ich viel gesehen von hier oben, viel miterlebt, Weltgeschichte, die
letztenendes auch eure Geburt liebe zwei Schwestern hervorgebracht hat.
Tag für Tag habe ich in diesen vielen Jahren mit meinem Glockenschlag Gottes
Heil, sein Evangelium auch zur Nächstenliebe verkündigt. Ganz so, wie es auch
meine Bestimmung sein sollte, denn auf mir steht ja eingebrannt " Friede sei mit
Euch"!
Heute denke ich manchmal, ob es damals wohl schon ein Zeichen sein sollte, für
die schweren und friedlosen Jahren, die später dann folgen sollten?
Zu Gebet und Gottesdienst habe ich gerufen, zur Einkehr und auch Umkehr, zur
Freude und auch zu traurigen Anlässen genauso, wie ihr dies, liebe Schwestern,
nun 50 Jahre getan habt. Und mir hat es Freude gemacht mit euch zusammen diese
Jahre meinen Dienst zu tun.
Aber werde auch die Zeit nicht vergessen, da mein Klang, meine Botschaft nicht
die Herzen der Menschen erreichte. "Friede sei mit Euch"! das sollten und
wollten meine Klänge hinausschallen, und doch kam es dann zu Krieg, zu
Zerstörung und Tod, übrigens nicht nur für die Menschen, sondern auch für uns
Glocken.
1914-18 , das war an Euch liebe Schwestern noch gar nicht gedacht. Damals
läutete ich noch mit euren Vorgängerinnen, die mit mir zusammen geboren wurden.
Ich weiß noch, wie wir uns anstrengten, besonders schön und eindringlich unsere
Klänge, unsere Botschaft von Gottes Heil, so wie sie auf uns stand über Osterode
auszubreiten: Friede sei mit Euch"! "Ein feste Burg ist unser Gott!" und Kommt,
denn es ist alles bereit!"
Doch all dies wurde vom Gerassel der Gewehre vom Marsch der Soldaten wohl
überhört. Aber wenigstens durften wir im Turm bleiben und tröstend war auch,
dass einige dann doch bei unserem Klang, die Hände falteten und leise ein Gebet
sprachen.
Und alles schien dann auch wieder gut zu werden. Aber wir hatten uns geirrt.
Der zweite Weltkrieg brach los, nach nur wenigen Jahren. Und jetzt sollen unsere
Klänge nicht nur nicht mehr gehört werden, sondern ich glaube man wollte unsere
Botschaft auch zum Schweigen bringen.
Denn der Klang der Glocken ist immer ja auch Gebet um Frieden.
Ich werde den Tag wohl nie vergessen, als sie am 14.Feb.1942 meine Schwestern,
eure Vorgängerinnen dann abholten. Welch eine Barbarei, welch ein Teufelswerk.
Kirchenglocken, doch dazu bestimmt Gottes Heil in der Welt erschallen zu lassen,
und nun dazu benutzt Kanonen, Kriegs- und Mordwerkzeug zu werden. Damals habe
ich geweint.
Mich haben sie hängen lassen, wohl weil ich die kleinste war. Und so habe ich
meinen Dienst allein versehen und hinausgerufen "Friede sei mit Euch!"
"Friede sei mit Euch!", Tag für Tag, Jahr um Jahr.
Und dann eines Tages, ich hoffte es schon gar nicht mehr, war tatsächlich Ruhe.
Der Krieg war vorbei und meine Klänge erreichten wieder die Herzen der Menschen
und viele folgten meiner Einladung zum Gebet und zum Gottesdienst. Die Menschen
hier in Osterode fühlten, Gottes Wort, seine Botschaft darf und soll in ihrer
Mitte nicht fehlen, gerade jetzt nach so vielen doch schlimmen Jahren und vor
allem bei der Suche eines Neuanfangs, der endlich Frieden bringen soll.
Und es ist nach wie vor für mich beeindruckend und ein tiefes Zeichen dieser
Sehnsucht nach Frieden und Trost, dass trotz der damals finanziell schwierigen
Zeit St. Aegidien nicht vergessen wurde. Im Gegenteil, das Gotteshaus, der
Kirchenturm und auch die Glockenstube sollten nun in Ordnung gebracht werden.
Der Turmbauhilfe e.V.wurde gegründet
Und auch das volle Geläut sollte wieder von
St. Aegidien erklingen.
Und das liebe Schwestern, war nun Eure Geburtsstunde. Eine Stunde des Hoffens,
eine Stunde der Sehnsucht und auch eine Stunde des Dankes. Ich würde sogar
sagen, eine Stunde in der Himmel und Erde sich ganz nahe kamen.
Viele Menschen haben sich damals so sehr um Euch bemüht. Du, liebe
Andreasglocke, bis eine Stiftung der Firma Krome, so steht es ja auch auf deinem
Stahlmantel geschrieben. Und du, liebe Lutherglocke bist eine Stiftung von
vielen Gliedern der
St. Aegidiengemeinde.
Ich bewunderte mit wie viel Fleiß und Engagement euer neues zuhause gefertigt
wurde, wie sehr die Menschen Kosten und Mühen nicht scheuten, dass ihr und Ich
es auch schön haben werden.
Manchmal kommt mir Zweifel, ob das heute wohl noch genauso wäre.
Ein großer Festzug begleitete euch damals, von Bahnhof bis hierher zur Kirche.
Es war wirklich ein Tag voller Freude, als man Euch dann heraufzog auf unseren
Turm. Und am 19.Aug.1950 wurdet ihr dann in den Dienst genommen.
Ich habe mich gefreut als ich euch das erste mal sah. Denn nun war ich nicht
mehr alleine um Gottes Heil in die Welt hinaus zu rufen.
Du, liebe Lutherglocke, erinnertest mich dabei an eine deiner Vorgängerinnen.
Und deine Inschrift "Ein feste Burg ist unser Gott!" machte mir deutlich: Die
Zeiten können noch schwierig sein. Angst, Streit, und Gewalt mögen vielleicht
auch noch so erbarmungslos herrschen, aber Bestand haben sie nicht. "Und wenn
die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns
nicht so sehr es soll uns doch gelingen.
Ja, Gott allein ist es, der das letzte Wort sprechen wird. Und das du dieses mit
deinem Glockenschlag Tag für Tag verkündest, macht auch mir Mut meine Botschaft
von Gottes Friedenswillen hinauszuschallen.
Und du liebe Andreasglocke? Seit 50 Jahren läutest du nun mit uns zusammen bei
freudigen Anlässen zu den Gottesdiensten in den getauft, geheiratet, Gottes Wort
verkündet und das Abendmahl gereicht wird. Aber du hast die Menschen in dieser
ganzen Zeit auch in traurigen Momenten begleitet und bist ihnen mit deinem
tiefen Klang nahe gewesen.
Es stimmt mich immer wieder traurig, wenn du erschallst, um den Tod eines
Gemeindegliedes zu betrauern, oder dann, wenn die Familie ein letztes Mal in der
Friedhofskapelle Abschied nimmt.
Und doch spendest du so auch Trost. Erinnerst daran, dass für Gott der Tod kein
ende bedeutet, sondern hier das ewige Leben zu finden ist.
"Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich"! so
steht es auf dir geschrieben. Ja, dankbar dürfen wir sein, für alles was uns
gegeben ist. Dankbar auch in der Trauer, weil doch ein lieber Mensch, auch wenn
man ihn hergeben muss, überhaupt aus Gottes Güte an der Seite unseres Lebens
gestanden hat.
Ich denke sowieso, dass die Dankbarkeit, wohl die einzige rechte Haltung ist,
mit der ein Mensch zu innerem Frieden und Freude gelangen kann.
So freue ich mich ebenso, liebe Andreasglocke, dass du da bist und mit deinem
Ruf die Menschen von Osterode daran Tag für Tag in Freud und Leid erinnerst.
50 Jahre läuten wir nun schon zusammen. Und die Zeiten haben sich auch in dieser
Spanne sehr verändert. Alles ist irgendwie schnelllebiger geworden und die
Technik ist rasant vorangeschritten. Heute sind wir Computer gesteuert.
Früher da brachte man uns noch per Hand in Schwung.
Früher meine ich hielten noch mehr Menschen inne, wenn sie uns hörten und
sprachen ein kleines Gebet. Heute haben oder nehmen sich viele dazu keine Zeit
mehr.
Aber doch fällt es den Menschen auch heute noch auf, wenn wir einmal nicht mehr
läuten. Zum Beispiel im letzten Jahr als der Computer nicht richtig
funktionierte. Viel riefen da an und wollten wissen, was denn los sein, die
Glocken sie läuten nicht richtig. Das macht mir Hoffnung und zeigt auch wie
wichtig unser Dienst noch immer den Osterodern ist. Gerade auch neben den
vielen, vielen anderen Klängen
aus den Lautsprechern haben und behalten unsere Klänge doch etwas ganz
Besonderes und Einzigartiges, dass nur wir den Menschen geben können.
Jeder Glockenschlag ist darum auch etwas Unvergleichliches. Denn der
Glockenschlag nicht nur weit zu hören und kann auch Mauern durchdringen, nein er
dringt auch ins menschliche Herz hinein. Jeder Glockenschlag ist mehr als nur
eine akustische Wahrnehmung, denn er schafft zugleich die Verbindung zwischen
Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen. Das Geläut wird so zur Seele
einer Gemeinde.
Es ist und bleibt also eine wichtige und eine schöne Aufgabe, die wir haben, die
wir seit 50 Jahren ausüben. Und ich hoffe, das wir sie noch viele, viele Jahre
ausüben können und dass die Botschaft und die Einladung unserer Klänge nicht
überhört werden.
Darum freue ich mich darauf weiter mit Euch zusammen unseren Ruf zu Gottesdienst
und Gebet erschallen zu lassen. Freue mich darauf von dir, liebe Andreasglocke
das Danket dem Herrn zu hören, und von dir liebe Lutherglocke das Mut machende
"Ein feste Burg ist unser Gott. Und ich, ich will ebenso meine Botschaft gerne
und wohlklingend dazugeben, "Friede sei mit Euch!" als Wunsch, Verheißung und
Segen von uns dreien im Auftrag des Herrn, für alle, die uns hören und für jeden
Tag, den Gott werden lässt"
Amen
Pastor Horst Reinecke
Glockengeläut
Predigten und Andachten
nach oben
Gefällt dir dieser Artikel? Teile ihn auf Facebook ! Erst wenn Sie auf der nächsten Seite auf den entsprechenden Teilen-Button klicken, werden Informationen an Facebook in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie in den Datenschutzbestimmungen von Facebook.
Letzte Aktualisierung am 11.12.2022 08:39 Uhr
nach oben