St- Aegidien-Marktkirche
Kapelle Uehrde
Kapelle Riefensbeek-Kamschlacken

Jubiläum - 60-jährigen Turmspitzenbaufestes

im Jahre 2011

Hier finden Sie einige solcher besonderen Predigten und Andachten.

Die St. Aegidienkirche als Predigt | 50-jähriges Glockenjubiläum | 900 Jahre Uehrde | 60-jähriges Turmspitzenbaufestes | 24 Türen im Harzer Land - Tür 1 | 24 Türen im Harzer Land - Tür 20

Ps 61,4
Denn du bist meine Zuversicht, ein starker Turm vor meinen Feinden.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
60 Jahren ist es also nun schon her, als der neue Helm unseres Kirchturmes seiner Bestimmung in einem festlichen Akt mit Gottesdienst übergeben wurde - und seitdem dann auch das Antlitz unserer Stadt prägt. 60 Jahre - im Vergleich zu anderen Kirchtürmen mag das vielleicht noch gar nicht so alt klingen, und dennoch hat sich dieses Angesicht des Turmes tief in den Köpfen der Osteroder Bürger eingeprägt. So könnte man gewiss Bilder von über 100 Kirchtürmen nebeneinander legen und mit Leichtigkeit würde man unseren dabei herausfinden können. Ja, dieser Turm ist unverwechselbar, einzigartig, steht mächtig und herausragend in der Mitte der Stadt und ist darum auch nicht umsonst das entscheidende Wahrzeichen von Osterode.
Aber ist er dann auch noch mehr als das?
Vor 60 Jahren wurde der neue Helm unseres Kirchturmes in einem feierlichen Gottesdienst seiner Bestimmung übergeben, so sagte ich. Aber was ist denn diese eigentlich nun genau - die Bestimmung des Kirchturmes und seines Helmes? Mal abgesehen davon ein Wahrzeichen dieser Stadt zu sein, auch wenn das natürlich schon etwas Besonderes ist. Ich glaube, so einfach ist diese Frage gar nicht zu beantworten, zumindest kirchlich und biblisch nicht, denn in den ersten sieben Jahrhunderten der jungen Christenheit, spielten solche Fragen überhaupt keine Rolle, und die Gotteshäuser der Christen kamen auch noch ganz gut ohne Türme aus. Zudem dienten viele der ersten Türme wohl auch weniger der Verkündigung der christlichen Botschaft als mehr anderen Zwecken. Denn nicht im Turm - und das ist bis heute gleich geblieben - wurden ja Gottesdienst gehalten, nicht im Turm gebetet, nicht im Turm Freude und Trauer von Gott dem Herrn gebracht. Hier wurden keine Konfirmationen und Taufen, Trauungen und Jubiläen abgehalten, anders, als eben im Kirchenschiff einer Kirche. Nein, die Kirchtürme wurden vielmehr auch als Wachtürme genutzt - wie auch unser Kirchturm - gegen drohende Gefahren von außen, wie sich heranpirschende Feinde z.B. - oder Gefahren von innen, um evtl. sich ausbreitendes Feuer früh genug zu erkennen. Von 1882 wird dies ja auch von unserem Turm berichtet, als zwei Häuser neben der Kirche Feuer fingen, und der Türmer, der damals noch im Kirchturm wohnte, dann die Feuerglocke schlug und schlug, und dann fast selbst dem Feuer zu Opfer gefallen wäre, da die Flammen schließlich auch auf den Kirchturm überschlugen und den damaligen Helm samt Glocken vernichteten. Kirchtürme als Wachtürme und Schutztürme, am Meer mitunter sogar auch als Leuchttürme eingesetzt.

Natürlich beherbergten die Türme dann fast immer auch schon die Kirchenglocken, zumindest in den Gemeinden, die es sich leisten konnten, aber selbst diese dienten oftmals nicht nur ausschließlich der Aufgabe zum Gottesdienst zu rufen, sondern einfach auch die Zeit in der Welt anzugeben - mindestens: morgens, mittags, abends oder dann jede Stunde und Viertelstunde. Und auch dies ist heute bei unseren 5 Glocken ja immer noch so, auch wenn sie dabei natürlich auch zum Gebet einladen möchten.
Und als drittes schließlich vermischten sich diese Aufgaben dann oftmals auch noch mit dem Anliegen, einen möglichst mächtigen und repräsentativen Turm haben zu wollen, um zu zeigen wer man ist. Das aber ist auch, mit dem Hintergrund der Geschichte vom Turmbau zu Babel, biblisch-theologisch doch sehr kritisch zu sehen ist - und im heutigen Spiel, "wer baut den höchsten Turm der Welt wohl ganz genauso - im Moment steht er übrigens in Dubai - Burdsch Chalifa wird er genannt, mit 828 m.

Nun hat sich natürlich vom gerade Genannten unter den Bedingungen des modernen Lebens vieles erübrigt. So haben wir für die genaue Zeitansage heute Armbanduhren, und von Kriegen sind wir - Gott sei Dank! - seit über sechzig Jahren verschont, sodass Kirchtürme nicht mehr als Wachtürme genutzt werden müssen, wobei die moderne Technologie dies ja eh ersetzte - ebenso auch bei Feueralarm, geht es heute per Funk doch viel effektiver, als damals. Und schließlich spielt angesichts der massenhaft viel größeren Türme, die es in der Welt gibt, unser Kirchturm als Repräsentant des menschlich Machbaren und Mächtigen mit seinen 65 m nun auch wirklich keine bedeutende Rolle mehr.

Vor 60 Jahren ist der neue Turmhelm seiner Bestimmung übergeben worden - und was ist denn nun seine Bestimmung, befreit von all den anderen Diensten, die er einst einmal hatte?

Nun zunächst wird man sicher eines sagen können: Als Kirchturm mit seinem Helm, ist er ein steinernes und hölzernes Monument des Glaubens. Und er ist dies alleine schon deshalb, weil er das tut, was Kirchtürme halt so machen, nämlich in den Himmel weisen - und damit, wie ein Fingerzeig symbolisch auf den Ort, wo Gott der Herr und Schöpfer der Welt wohnt. Und natürlich tut es dies dann mit dem Anspruch: Vergesst den da oben nicht, bei allen euren Geschäftigkeiten auf der Erde, denn er ist es, der allein die Welt in seinen Bahnen hält. So soll der Kirchturm zugleich denn auch wie eine Antenne betrachtet werden, die Verbindung zu schließen fähig ist, Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen menschlichem und Göttlichem, damit die Erde nicht ohne Gott, ohne sein Wort ist und bleibt, sondern ganz im Gegenteil auch die Erde zu Gottes Wohnstadt werden kann, ähnlich wie es in der Offenbarung heißt - "und Gott wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein!". Insofern ist der Kirchturm dann natürlich nicht mehr Ausdruck menschlicher Selbstüberschätzung, wie beim Turmbau zu Babel, sondern vielmehr eine Stein und Holz gewordene Geste der Demut, welche sich der Herrschaft Gottes unterstellt. Und er ist zugleich dann auch Bekenntnis - Bekenntnis nämlich zu Gott, Bekenntnis dazu auf das Wort Gottes und seinen Segen angewiesen zu sein, sie nicht missen zu möchten im Alltäglichen und in der Suche nach Orientierung, nach Werten und Normen für ein gelingendes Leben hier auf der Erde, hier in dieser Stadt, hier in Osterode, gegen all das, was lebensfeindlich und zerstörerisch wirken könnte. "Denn du bist meine Zuversicht, ein starker Turm vor meinen Feinden." So heißt es entsprechend Ps 61,4.

Wahrscheinlich aber ist diese tiefe Symbolik heutzutage vielen Menschen gar nicht mehr so klar. So sind sie vielleicht fasziniert von dem Bauwerk an sich, seiner Geschichte oder seiner Höhe als Aussichtspunkt, aber in seiner Religiösen und symbolischen Bedeutung, sehen ihn doch nur wenige. Wer weiß denn z.B. schon, warum oftmals ein Hahn den Kirchturm ziert, wie bei uns, und das mit Bekennen zu tun hat in Anlehnung an die Verleumdungsgeschichte des Petrus? Und doch ist es eben nicht egal, warum ein Turm gebaut wird, ein Turm die Silhouette einer Stadt prägt oder gar zum Wahrzeichen wird. Denn Fingerzeig, für was auch immer, sind sie allemal und ebenso Symbolträger. So stellt sich dann natürlich auch unweigerlich die Frage: was machen wir eigentlich, wenn wir immer mehr und mehr auch Andere ihre Türme in den Himmel bauen lassen - und welches Ansinnen, welche Werte, welcher Glaube wird dann damit symbolisiert und so ins Alltägliche gezogen? Z.B. mit den riesigen Finanztürmen dieser Welt, wie in Frankfurt, aber auch mit dem Bau von anderen Türmen in unseren Städten?

In Osterode haben wir noch das Glück, das der Aegidienturm tatsächlich in der Stadt das zentrale Wahrzeichen ist. Und ich bin ehrlich: ich bin dankbar dafür, dass er so auch weiterhin, als Symbol unseres Glaubens, als Symbol auch der damit zusammenhängenden christlichen Werte und Normen, und zwar als gewollt unverzichtbarer Teil unserer Kultur und unseres Zusammenlebens in den Himmel ragt.

Aber noch ein zweiter Gedanke ist mir wichtig:
Denn ein Kirchturm, der nach oben ragt und Gott bezeugt, zeigt damit gleichzeitig dann ja auch an, wo dieser Gott denn nun auf Erden zu finden ist. Wo also ein Kirchturm steht, da ist auch eine Kirche. Man muss halt nur dem Turm folgen, dann trifft man letztlich auch auf den Ort, von dem uns verheißen ist, dass uns Gott hier begegnet in seinem Wort und seinem Sakrament. Insofern war es ein großer Irrtum in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu glauben, man brauche keine Kirchtürme, so dass man Gemeindezentren baute, die sich in nichts von anderen Häusern unterschieden. Nein, ich denke, es ist wichtig für uns Menschen zu wissen, wo Gott sich nach seiner Verheißung finden lassen will, das eben Orte gibt, die sich von allen anderen Orten unterscheiden, eben heilige Orte, die mehr zu erzählen wissen, als die Welt es je vermag.

Und macht eben genau dieses macht auch unser Kirchturm. Schon von weitem sichtbar zeigt er jedem: Hier könnt ihr dem Heilige, hier könnt ihr Gott und Jesus Christus seinem Sohn begegnen - hier mitten in der Stadt, mitten in eurem alltäglichen Treiben. Hier habt ihr Christen euer Zuhause, hier könnt ihr euch versammeln, Gottes Wort hören, Gemeinschaft mit ihm im Heiligen Abendmahl erleben, eurem Gott singen und vor allem auch Gottes Segen für euer Leben empfangen. Ja, hier ist Gott in allem bei euch, wenn ihr denn möchtet: In eurem Tun und Lassen, eurer Liebe, eurer Wut, in eurer Freude und eurem Schmerz, in eurem Schweigen und Sprechen und, und, und. So gesehen ragt unser Kirchturm tatsächlich als Monument für die Gegenwart Gottes auf Erden in die Höhe.

Allerdings, wie weit wir dann diese Möglichkeiten auch für uns nutzen und gebrauchen, dass bleibt uns, wie schon erwähnt, natürlich selbst überlassen. So können wir diese Verbindung in den Himmel selbstverständlich auch ungenutzt lassen und haben dann nichts davon.

Nutzen wir aber das, wozu der Kirchturm uns einlädt, dann, so glaube ich, ja dann kann letztlich sogar jeder einzelne Christ und jede Kirchengemeinde zum Kirchturm werden, also ebenso ein solcher zum Himmel zeigender Finger, weil diese Verbindung zum Göttlichen dann uns Menschen auch bewegt, verändert, ermutigt, begeistert, aufstehen lässt aus den Niederlagen und so vieles andere mehr. Denn mit dieser Verbindung ragt man immer auch über sich selbst hinaus, in die andere Welt, die Welt des ewigen Gottes und erkennt, dass es mehr gibt im Leben als nur das, was wir mit unseren Augen sehen können; dass es mehr gibt als nur Gewinn und Verlust, die sich in Geld ausdrücken lassen; dass es mehr gibt als das Glück, das sich ausschließlich im Diesseits erschöpft und mehr gibt als das Recht des Stärkeren - nämlich auch Vergebung, Liebe, Wegweisung, Zuversicht, Hoffnung, Barmherzigkeit, Segen und ewiges Leben. Jeder Kirchturm, wie der unsrige, ist darum auch ein Mut und Trost-Turm, der sagt: Habt keine Angst, es ist alles in guten, in Gottes Händen. Und diese seine Bedeutung und Bestimmung ist, so denke ich, gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Möge darum unser Kirchturm gerade auch diese Botschaft noch viele, viele Jahre weiterkünden und als festes Symbol, als Wahrzeichen für die Gegenwart Gottes in unserem Orte erhalten bleiben - und damit Trost, Hoffnung, Mut und Orientierung den Menschen für und für schenken. Ganz so wie es im Ps 61 heißt: "Denn du Gott bist meine Zuversicht, ein starker Turm vor meinen Feinden!"

Amen

Horst Reinecke, Pastor

Gehalten am 24.07.2011 an St. Aegidien zu Osterode
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Letzte Aktualisierung am 07.08.2023 15:12 Uhr

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